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Rechtsanwalt

Donnerstag, 26. Juni 2014

Serienanfechtungen mit einer negativen Feststellungsklage begegnen

Insolvenzanfechtungsansprüche werden von Insolvenzverwaltern reihenweise erhoben. Nicht selten werden nahezu sämtliche oder jedenfalls ein sehr großer Teil der Zahlungen angefochten, die vom Insolvenzschuldner in den letzten Jahren vor dem Insolvenzantrag noch an Lieferanten, Sozialkassen, Finanzamt etc. geleistet wurden. Zur Begründung, warum die Zahlungen anfechtbar sein sollen, wird in den außergerichtlichen Anspruchsschreiben häufig wenig vorgetragen.

In einem aktuellen, in der ZInsO (Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht) 2014, S. 1083 ff. veröffentlichten Aufsatz empfiehlt Bruns den Anfechtungsgegnern, solchen “ins Blaue hinein” behaupteten Insolvenzansprüchen mit einer sog. negativen Feststellungsklage zu begegnen.

Eine negative Feststellungsklage ist eine Klage, die darauf gerichtet ist, feststellen zu lassen, daß ein vom Gegner behaupteter Anspruch nicht bestehe.

Die von Insolvenzverwaltern geltend gemachten Insolvenzanfechtungsansprüche sind nicht selten sehr hoch, so daß sie für den Anfechtungsgegner im Einzelfall existenzbedrohend sein können. Die Unsicherheit, ob ein angeblicher Insolvenzanfechtungsanspruch tatsächlich besteht, kann deshalb außerordentlich belastend sein. Der Anfechtungsgegner muß in einer solchen Situation aber nicht – u.U. jahrelang – abwarten, ob der Insolvenzverwalter gegen ihn Anfechtungsklage erhebt, sondern er kann diesen mittels negativer Feststellungsklage frühzeitig zwingen, “seine Karten auf den Tisch zu legen" und den behaupteten Anspruch substantiiert zu belegen.

Für eine frühzeitige gerichtliche Klärung kann, so auch Bruns, außerdem sprechen, daß tatsächlich bestehende Insolvenzanfechtungsansprüche vom Anfechtungsgegner ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind. Insolvenzverwalter machen sich das zunutze, indem sie Anfechtungsklagen erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist erheben. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Anfechtungsgegner zweifelsfrei solvent ist. Auf diese Weise erreichen sie für die Insolvenzmasse eine sehr hohe Kapitalverzinsung, die weit über dem Guthabenzins liegt, den eine Bank zahlen würde.

© 2014 Thore Jensen


Mittwoch, 23. April 2014

Schulden geerbt?

Mit dem Erbfall gehen auch die Schulden auf den oder die Erben über. Die Erben werden Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen. Manchmal sind die Schulden höher als das Vermögen. Das wiederum stellt sich oft erst heraus, wenn die sechswöchige Frist, innerhalb der das Erbe hätte ausgeschlagen werden können, längst abgelaufen ist.

Das aber bedeutet keineswegs, daß die Erben jetzt unweigerlich mit ihren gesamten (Eigen-)Vermögen sowie mit ihren Einkommen für die geerbten Schulden einzustehen haben. Die Erben können dafür sorgen, daß sie für diese Schulden nur mit dem Nachlaß haften müssen. Zwar können die Erben die Möglichkeit verlieren, eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen. Grundsätzlich ist es aber auch noch Jahre nach dem Erbfall möglich, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß zu erreichen.

Erben, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig waren, haben darüber hinaus die Möglichkeit,  dafür zu sorgen, daß sie für geerbte Schulden nur mit demjenigen Vermögen haften, das sie bei Eintritt der Volljährigkeit hatten.

© 2014 Thore Jensen

Sonntag, 13. April 2014

Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen

Die außerordentlich anfechtungsfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO wird nicht nur von zahlreichen Rechtsanwälten und Hochschullehrern sowie mehreren Unternehmensverbänden scharf kritisiert, sondern hat inzwischen auch die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Auf dem 11. Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin hat Bundesjustizminister Maas das Insolvenzanfechtungsrecht jüngst als aktuell größte Baustelle im Insolvenzrecht bezeichnet. Gesetzesänderungen sollen die gegenwärtig völlig unkalkulierbaren und nicht selten existenzbedrohenden Anfechtungsrisiken eindämmen. – Schätzungen gehen davon aus, daß gegen zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland jedes Jahr mindestens einmal von einem Insolvenzverwalter ein Insolvenzanfechtungsanspruch geltend gemacht wird.

Von der Insolvenzanfechtung sind aber nicht nur Lieferanten und Geschäftspartner insolventer Unternehmen sowie Finanzämter und Sozialkassen betroffen, sondern nicht selten auch Arbeitnehmer, die Lohnzahlungen erhalten haben, als ihr Arbeitgeber schon zahlungsunfähig war.

In einem Fall, der vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 29.01.2014 – Az. 6 AZR 345/12 – entschieden wurde, verlangte der Insolvenzverwalter eines Unternehmens von einer teilzeitbeschäftigten Angestellten, dass sie Nettolohnzahlungen in Höhe von mehr als 10.000,- € zurückzahlt, die sie von ihrem Arbeitgeber in den letzten knapp 8 Monaten vor Insolvenzantragstellung erhalten hatte. Siehe hierzu auch die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2014.

Die auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Klage des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg, und dies auch m.E. sehr zu recht. Bemerkenswert ist, daß sich das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen sehr ausführlich mit der Kritik auseinandersetzt, die in der Literatur an der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung geübt wird, und danach eine Position vertritt, die sich m.E. sehr deutlich von der Linie des Bundesgerichtshofs unterscheidet.

Ein Leitsatz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts lautet: “Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss das Indiz der Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon. Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt und dass dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO Rechnung getragen wird.”

Ich vertrete seit langem die Auffassung, dass eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 InsO niemals vorliegen kann, wenn ein ganz normaler Gläubiger von seinem Schuldner nur das erhalten hat, worauf er einen regulären vertraglichen Anspruch hatte. Es muß anfechtungsrechtlich einen Unterschied machen, ob jemand, der seinen wirtschaftlichen Zusammenbruch kommen sieht, Vermögensgegenstände beiseiteschafft, um sie der Haftung zu entziehen, oder ob er lediglich Rechnungen bezahlt, obwohl er augenscheinlich nicht mehr allen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.

© 2014 Thore Jensen

Montag, 3. März 2014

Das Pfandrecht des Spediteurs kann sehr wertvoll sein

Neben bzw. unabhängig von dem vertraglichen Pfandrecht nach Nr. 20 ADSp erwerben Spediteure  gemäß § 440 HGB zur Sicherung ihrer Forderungen ein gesetzliches Pfandrecht an dem versendeten Gut. Dieses Pfandrecht kann sogar dann entstehen, wenn der Versender selbst nicht Eigentümer dieses Gutes ist. Notwendig ist dann nur, daß der Dritteigentümer mit der Versendung einverstanden ist. Das ist im Handelsverkehr typischerweise der Fall.

Entsprechende Regelungen bestehen auch zugunsten von Kommissionären, Frachtführern, Lagerhaltern und Verfrachtern beim Seefrachtvertrag.

Was den Umfang der gesicherten Forderungen angeht, besteht jedoch ein erheblicher Unterschied zwischen dem Fall, daß dem Versender die Waren selbst gehören, und dem, daß der Eigentümer lediglich mit der Versendung einverstanden ist: Im zweiten Fall sichert das Pfandrecht nur die Forderungen aus dem jeweiligen Speditionsvertrag, im ersten Fall auch offene Forderungen, die dem Spediteur gegen den Versender aus früheren Aufträgen zustehen (sog. inkonnexe Forderungen).

In einem vom Bundesgerichtshof im Jahre 2005 entschiedenen Fall hatte ein Frachtführer gegen einen Kunden aus zahlreichen Transportaufträgen offene Forderungen in einer Gesamthöhe von über 130.000,- DM. Er erhielt von dem Kunden dann einen neuen Auftrag zum Transport eines Schiffsruders im Wert von mehr als 200.000,- DM. Der Frachtlohn für diesen Transport betrug etwa 5.000,- DM.

Nachdem der Frachtführer das Schiffsruder bei seinem Kunden abgeholt hatte, erklärte er diesem, er werde das Ruder erst dann weiterbefördern, wenn eine Regelung zur Begleichung seiner offenen Altforderungen getroffen sei. Es wurde daraufhin vereinbart, daß die Schiffswerft, zu der das Schiffsruder transportiert werden sollte, von dem Werklohn, den sie dafür zu zahlen hatte, einen Teil von ca. 135.000,- DM direkt an den Frachtführer zahlt. Diese Zahlung ist dann auch entsprechend geleistet worden.

Kurz darauf wurde gegen den Kunden des Frachtführers ein Insolvenzantrag gestellt. Nach Verfahrenseröffnung verlangte der Insolvenzverwalter vom Frachtführer die Rückzahlung der 135.000,- DM, die dieser vereinbarungsgemäß direkt von der Schiffswerft erhalten hatte. Die Zahlung sei als eine sog. inkongruente Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Er könne deshalb im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr des Betrages verlangen.

Die Klage des Insolvenzverwalters hatte beim Bundesgerichtshof jedoch keinen Erfolg. Der Frachtführer durfte das Geld behalten, obwohl er mit dem Pfandrecht erst nachträglich und zudem erst kurz vor Insolvenzantragstellung eine Sicherheit für seine offenen Altforderungen erhalten hatte: Das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers begründe keine inkongruente Deckung. Gleiches gelte auch für die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung, nach der das Pfandrecht durch Direktzahlung der Schiffswerft abgelöst wurde.

Wäre der Kunde des Frachtführers nicht selbst Eigentümer des Schiffsruders gewesen, dann hätte das Pfandrecht nur die Forderungen des Frachtführers aus dem konkreten Transportauftrag gesichert. Das wären lediglich 5.000,- DM gewesen.

Wenn ein Händler Ware versendet, die er selbst unter Eigentumsvorbehalt gekauft aber noch nicht bezahlt hat, dann sichert das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers nur dessen Forderungen aus dem konkreten Transportauftrag, nicht auch seine Altforderungen. Das gesetzliche Pfandrecht ist dann also beträchtlich weniger wert.

Vertraglich könnte jedoch grundsätzlich mit dem Vorbehaltseigentümer ein Pfandrecht zugunsten des Frachtführers vereinbart werden, das auch dessen Altforderungen aus früheren Transportaufträgen sichert. Zu einer solchen Pfandrechtsvereinbarung mag ein Vorbehaltseigentümer u.U. durchaus zu bewegen sein, wenn der Eigentumsvorbehalt als Sicherheit für seine Kaufpreisforderung dadurch nicht entwertet wird und er für die Bestellung des Pfandrechts eine Vergütung erhält.

Eine interessante Frage ist, ob eine solche Vereinbarung nach den §§ 129 ff. InsO angefochten werden könnte, wenn über das Vermögen des Absenders ein Insolvenzverfahren eröffnet würde.

Angenommen, der Absender hat die vom Frachtführer zu transportierende Ware bei seinem Lieferanten unter Eigentumsvorbehalt zu einem Kaufpreis von 100.000,- € gekauft. Seinerseits hat er sie an den Abnehmer zu einem Preis von 150.000,- € weiterverkauft. Für den Transport der Ware zu dem Abnehmer steht dem Frachtführer ein Frachtlohn von 5.000,- € zu. Der Frachtführer hat daneben gegen den Absender aber noch offene Altforderungen von 45.000,- €. Weil die Ware wegen des Eigentumsvorbehalts des Lieferanten dem Absender (noch) nicht gehört, sichert das gesetzliche Pfandrecht nach § 440 Abs. 1 HGB nur den Frachtlohnanspruch für den Transport dieser Ware. Könnte der Frachtführer mit dem Vorbehaltseigentümer ein vertragliches Pfandrecht vereinbaren, das auch die Altforderungen sichert und sodann die weitere Beförderung der Ware davon abhängig machen, daß auch seine Altforderungen aus dem vom Abnehmer zu zahlenden Kaufpreis beglichen werden? Würde eine solche Vereinbarung zwischen dem Frachtführer und dem Vorbehaltseigentümer bewirken, daß die beiden den vom Abnehmer geschuldeten Kaufpreis von 150.000,- € auch dann allein unter sich aufteilen könnten, wenn vor Ablieferung der Ware an den Abnehmer ein (begründeter) Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Absenders gestellt wird? Oder könnte der Insolvenzverwalter die Vereinbarung nach §§ 129 ff. InsO anfechten und jedenfalls 45.000,- € für die Insolvenzmasse beanspruchen?

Ich hielte das auch angesichts der erwähnten BGH-Entscheidung für zumindest sehr zweifelhaft.

Durch richtiges Vorgehen kann man als Frachtführer also u.U. viel Geld retten.

© 2014 Thore Jensen