ThoreJensenFoto2

Rechtsanwalt

Donnerstag, 24. November 2011

Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung nach dem ESUG

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 27.10.2011 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/7511) verabschiedet. Mit Ausnahme einiger Regelungen zur Insolvenzstatistik wird das Gesetz möglicherweise bereits am 01.04.2012 in Kraft treten.

Mit dem ESUG will der Gesetzgeber weitere Anreize für eine möglichst frühzeitige Insolvenzantragstellung schaffen. Dem liegt die Erwartung zugrunde, daß sich auf diese Weise die Zahl erfolgreicher Unternehmenssanierungen erhöht. Zu den neuen Anreizen gehört u.a. die Erleichterung der Voraussetzungen für Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung. Mit der in die Insolvenzordnung neu einzufügenden Vorschrift des § 270b sollen Schuldner ermuntert werden, bereits bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit selbst einen Insolvenzantrag zu stellen, um „unter der Sicherheit eines ‚Schutzschirms‘ in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten“ (Gesetzesbegründung). Gemäß dem künftigen § 270b InsO wird der Schuldner nach einem Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit drei Monate Zeit haben, einen aussichtsreichen Sanierungsplan zu vorzulegen. Für diese Zeit wird vom Insolvenzgericht ein sog. vorläufiger Sachwalter bestellt, den der Schuldner allerdings selbst vorschlagen darf und den das Insolvenzgericht auch bestellen muß, wenn die vorgeschlagene Person nicht fachlich ungeeignet ist.

Ein rechtzeitiger Insolvenzantrag befreit den Geschäftsführer einer GmbH (bzw. allgemein den Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft, die keine unbeschränkt haftende natürliche Person als Gesellschafter hat) von dem Risiko, zivil- und strafrechtlich wegen Insolvenzverschleppung belangt zu werden. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit von der Möglichkeit des „Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung“ Gebrauch zu machen, mag deshalb künftig in vielen Fällen dringend zu empfehlen sein.

Das Problem ist nur, daß der Gesetzgeber das Dilemma verkennt, in dem sich gerade Gesellschafter-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise befinden und das ein wesentlicher Grund dafür ist, daß Insolvenzanträge nicht rechtzeitig gestellt werden. Dieses Dilemma hat er jüngst sogar nochmals deutlich verschärft: Wird über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, verlieren die Gesellschafter regelmäßig alles, was sie der Gesellschaft an finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt haben oder gegen Sicherheiten von Dritten haben zur Verfügung stellen lassen: Die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen oder gesellschafterbesicherten Drittdarlehen können sie selbst durch eine besonders frühzeitige Insolvenzantragstellung nicht verhindern. – Weil die Gesellschafter über die Stammeinlagen hinaus regelmäßig in großem Umfang Bürgschaften zugunsten von Kreditgebern übernommen haben, bedeutet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH sehr häufig auch ihren privaten Ruin. Also versuchen sie bis zum letzten, das Unternehmen noch irgendwie zu retten, obwohl die Mittel hierzu fehlen.

Das Dilemma sollten die Mitglieder von Bundestag und Bundesregierung nachvollziehen können, wenn sie betrachten, welches Verhalten sie selbst in der Staatsschuldenkrise (und im übrigen auch bei der "Rettung" tatsächlich oder vermeintlich "systemrelevanter" Unternehmen) empfehlen. Es ist der Vorwurf vielleicht nicht unbegründet, daß sie exakt das Verhalten propagieren, für das sie Geschäftsführer und Kreditgeber notleidender privater Kapitalgesellschaften in entsprechenden privatwirtschaftlichen Fällen jahrelang eingesperrt sehen wollen: vorsätzliche Insolvenzverschleppung und Beihilfe dazu.


© 2011 Thore Jensen


Ergänzung vom 02.01.2012:
Das ESUG ist am 25.11.2011 auch vom Bundesrat gebilligt worden. In seinen wesentlichen Teilen wird es am 01.03.2012 in Kraft treten.

Montag, 15. August 2011

Reden Sie nicht darüber, wenn Sie Ihre Gläubiger benachteiligen wollen!

Wenn Sie Ihren geschiedenen Ehegatten um seine titulierten Unterhaltsansprüche bringen wollen, sollten Sie diese Absicht nicht auch noch lauthals verkünden. Sonst klappt das womöglich nicht: Wenn Sie in aller Deutlichkeit – beweisbar – erklären, Sie würden unter keinen Umständen Unterhalt zahlen, sondern notfalls mit Ihrem Geld ins Ausland verschwinden, dann müssen Sie damit rechnen, daß Ihnen ein Gericht einen Strich durch diese Rechnung macht. Wie das geht, mußte ein Steuerberater kürzlich schmachvoll erfahren, der seine rechtskräftig festgestellte Verpflichtung nicht erfüllen wollte, Kindes- und Trennungsunterhalt von 154.590,93 € zzgl. Zinsen sowie nachehelichen Ehegattenunterhalt von monatlich 2.985,00 € zu zahlen.

Um seiner geschiedenen Frau die Zwangsvollstreckung in seine Immobilien unmöglich zu machen, hatte der Steuerberater eine seiner Eigentumswohnungen sowie ein Zweifamilienhaus an seinen aus einer früheren Beziehung stammenden Sohn verkauft. Dessen Übereignungsanspruch hatte er durch entsprechende Auflassungsvormerkungen sichern lassen. Sein Sohn hatte sogar einen angemessenen Kaufpreis bezahlt. Das half aber nichts. Das Oberlandesgericht Saarbrücken wertete dieses Geschäft in seinem Urteil vom 10. Mai 2011 (Az. 4 U 297/10) als vorsätzliche Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz (AnfG). Der Sohn des Steuerberaters hatte deshalb keinen Erfolg mit seiner Klage auf Löschung der zugunsten der Ex-Frau eingetragenen Zwangssicherungshypotheken. Die geschiedene Ehefrau kann also die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke betreiben.

Ob die Klage des Sohnes Erfolg gehabt hätte, wenn sein Vater seinen Mund gehalten und nicht über seinen Vorsatz geredet hätte, seine Ex-Frau als Gläubigerin zu benachteiligen, ist nicht sicher. Vielleicht wäre der für die Anfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG erforderliche Benachteiligungsvorsatz auch dann offensichtlich gewesen. Sicher ist aber, daß das Oberlandesgericht recht hat, wenn es feststellt, daß der Steuerberater seine Benachteiligungsabsicht kaum deutlicher hätte formulieren können.

© 2011 Thore Jensen

Sonntag, 24. Juli 2011

Halbstarke vorläufige Insolvenzverwalter und unbefriedigte Gläubigerinnen

Wer bei Google „Befriedigung mit Gegenständen“ sucht, der will wahrscheinlich nicht auf der Seite eines Rechtsanwalts landen. Wer hingegen die Insolvenzordnung aufschlägt, der wird nicht enttäuscht sein, daß in deren drittem Abschnitt des zweiten Teils nicht zwischen männlichen und weiblichen unterschieden wird, wenn dort die „Organe der Gläubiger“ beschrieben werden: Er wird es für selbstverständlich halten, daß diese Organe bei Männern und Frauen und juristischen Personen gleich aussehen, daß es also unerheblich ist, welches natürliche oder grammatische Geschlecht diejenigen haben, die der Schuldner nicht befriedigt hat. Wer sich als Insolvenzrechts-Anwalt Gedanken über sinnvolle Suchmaschinenoptimierung macht, der wird besser nicht schreiben, daß die Insolvenzordnung absonderliche Praktiken der Befriedigung kennt und was bestimmte Gläubiger alles aussondern oder absondern können. Er wird es auf seiner Website anders ausdrücken, wenn er erwähnen will, daß absonderungsberechtigte Gläubiger sich aus unbeweglichen Gegenständen unter Umständen sozusagen selbst befriedigen dürfen und daß ungesicherte Gläubiger ihnen dabei zusehen müssen. Leider wissen Googles Computer nicht, daß Worte je nach Zusammenhang ganz unterschiedliche Bedeutungen haben können. Wer sich Sorgen macht, weil seine unbezahlten Forderungen anschwellen, wird in dem Moment keine Lust haben, bizarre Sex-Angebote unterbreitet zu bekommen. Ich hoffe deshalb auch auf die Nachsicht derer, die auf meiner Website gelandet sind, obwohl sie körperliche Befriedigung und nicht Befriedigung wegen ihrer Forderungen suchen.
Thore Jensen

Montag, 18. Juli 2011

Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital – Debt-Equity-Swaps

Das geplante Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) will u.a. Debt-Equity-Swaps erleichtern. Gläubiger sollen also (leichter) ihre Forderungen gegen eine Beteiligung am Kapital des Schuldners eintauschen und damit vom Gläubiger zum Gesellschafter werden können. Ob die beabsichtigte Änderung der gesetzlichen Regelungen nötig ist, um die Rückständigkeit des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts gegenüber dem englischen Recht zu beseitigen, sei mal dahingestellt. Richtig ist, daß Debt-Equity-Swaps gegenwärtig nicht so einfach sind:

Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen eine Kommanditgesellschaft (sei es eine KG oder GmbH & Co. KG), die diese wegen Zahlungsschwierigkeiten nicht begleichen kann, dann mag im Einzelfall der Gedanke nicht fernliegen, die Forderung in eine Kommanditbeteiligung umzuwandeln. Sich im Tausch gegen die Forderung einfach eine Kommanditbeteiligung im Nominalwert der Forderung einräumen zu lassen, ist aber keine gute Idee. Wenn der Gläubiger sich darauf einläßt, sollte er damit rechnen, für dieses Geschäft sehr viel Lehrgeld zahlen zu müssen.

Auch wenn der Schuldner eine GmbH ist, kann die Forderung nicht einfach in einen Geschäftsanteil in Höhe des Betrags der Forderung umgewandelt werden. Der Grund dafür liegt darin, daß die Forderung wegen der Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners nicht werthaltig ist. Schließlich denkt ein Gläubiger gewöhnlich nicht darüber nach, ob er Gesellschafter seines Schuldners werden möchte, wenn der seine Verbindlichkeiten begleichen kann.

Man ist auch gut beraten, beizeiten die Rechnung mit dem Finanzamt zu machen: Wenn der Schuldner im Zuge eines Debt-Equity-Swaps einen Teil seiner Verbindlichkeiten los wird, dann erzielt er damit einen Sanierungsgewinn, auf den u.U. sowohl Körperschafts- als auch Gewerbesteuer zu zahlen sind. (Finanzämter können die Körperschaftssteuer auf Sanierungsgewinne lediglich aus Billigkeitsgründen stunden oder erlassen.) Den Gläubiger als neuen Gesellschafter an der GmbH zu beteiligen, kann für diese außerdem bedeuten, daß sie nach § 8c KStG ihre Verlustvorträge ganz oder zum Teil verliert. So kann der Vorteil der mit dem Debt-Equity-Swap herbeigeführten Kapitalerhöhung schnell wieder verloren gehen.

Man darf gespannt sein, welche Änderungen das ESUG in bezug auf Debt-Equity-Swaps bringen wird, welche Änderungen es überhaupt bringen kann. In jedem Fall kann festgehalten werden, daß es sich für Gläubiger schon immer empfohlen hat, auf der Hut zu sein.

© 2011 Thore Jensen

Montag, 4. Juli 2011

Update: Vorsicht bei Gewährung von Sicherheiten für Gesellschaftsschulden!

In Ergänzung zu meinem Beitrag vom 30. Juni weise ich auf das (nicht rechtskräftige) Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 7.4.2011 (Az.: I-27 U 94/10) hin, das in besonders eindringlicher Weise aufzeigt, welche exorbitanten Haftungsrisiken GmbH-Gesellschafter wirklich eingehen, wenn sie persönlich Bürgschaften für Schulden der Gesellschaft übernehmen oder andere Sicherheiten bestellen.

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, daß die Gewährung solcher Sicherheiten zur Folge hat, daß der Gläubiger die Gesellschafter bei Insolvenz der GmbH gemäß § 44a InsO vorrangig in Anspruch nehmen muß und daß die daraus resultierenden Regreßansprüche der Gesellschafter gegen die GmbH im Insolvenzverfahren nur nachrangig befriedigt werden. Im praktischen Ergebnis bedeutet dies, daß ein GmbH-Gesellschafter im Falle der Insolvenz seiner GmbH den Betrag übernommener Bürgschaften in voller Höhe nachschießen muß!

Das gilt sogar dann, wenn neben dem Gesellschafter auch die GmbH selbst dem Gläubiger werthaltige Sicherheiten gewährt hat, also auch bei Doppelbesicherung! In dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall hatte die GmbH ihrer Bank zur Sicherung von Ansprüchen aus Darlehensverträgen ihre Forderungen gegen Kunden und gegen ihren Kreditversicherer abgetreten. Nur zusätzlich hatte der Gesellschafter drei Bürgschaften im Gesamtbetrag von 548.000,- € übernommen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH hatte der Insolvenzverwalter die zur Sicherheit abgetretenen Forderungen eingezogen und der Bank aus dem Erlös einen Betrag von über 453.000,- € überwiesen. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den Gesellschafter, der GmbH davon einen Teil in Höhe von knapp 344.000,- € zu erstatten.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haften Gesellschafter, die sich für Verbindlichkeiten ihrer GmbH verbürgen, im Insolvenzfall primär. Ihre Haftung ist also nicht auf den etwaigen Restbetrag beschränkt, der nach Verwertung der von der GmbH selbst bestellten Sicherheiten verbleibt. Seit Inkrafttreten des MoMiG können die Gesellschafter diese Folge nicht einmal mehr dadurch verhindern, daß sie in der Unternehmenskrise sofort einen Insolvenzantrag stellen lassen.

Gesellschafter sollten die Übernahme von Bürgschaften oder die Bestellung von anderen Sicherheiten für Verbindlichkeiten ihrer GmbH deshalb auch dann unter keinen Umständen als „reine Formsache“ abtun, wenn auch die Gesellschaft selbst dem Gläubiger werthaltige Sicherheiten gewährt. Gesellschafter dürfen sich insbesondere von Banken nicht mit dem Argument beschwichtigen lassen, daß sie als Gesellschafter aus der Bürgschaft ja nur hafteten, wenn und soweit die von der Gesellschaft selbst bestellten Sicherheiten im Insolvenzfall nicht ausreichten. Das Gegenteil ist richtig: Erst haften sie, dann die Gesellschaft!

Hieran sollten Gesellschafter schon bei der Gründung einer GmbH denken.

© 2011 Thore Jensen

Donnerstag, 30. Juni 2011

Gesellschafterforderungen bei Insolvenz der GmbH

Auch außerhalb der juristischen Fachwelt wurde in den vergangen Jahren erheblich über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH diskutiert. Gesetz geworden ist eine vermittelnde Lösung: Es gibt jetzt als kleine Schwester der GmbH die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die mit einem statutarischen Stammkapital von 1,- € auskommt. Etwas in den Hintergrund getreten ist bei der Diskussion, daß es im Regelfall schon illusorisch ist anzunehmen, daß ein Stammkapital von 25.000,- € der GmbH die für ihren Geschäftsbetrieb notwendige Kreditwürdigkeit verschafft. Insbesondere Banken gewähren der GmbH Kredite normalerweise nur, wenn neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter haften, z.B. aufgrund von Bürgschaften. Die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro deutet deshalb bereits auf den mit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG vollzogenen Paradigmenwechsel hin, den die Gesellschafter bei der Unternehmensfinanzierung unbedingt berücksichtigen müssen:

Während Gesellschafterdarlehen früher im Insolvenzverfahren grundsätzlich normale Insolvenzforderungen waren, werden jetzt (nahezu) alle Darlehen, die die Gesellschafter der Gesellschaft entweder selbst zur Verfügung gestellt haben oder aber – gegen Übernahme bspw. einer Bürgschaft – durch Dritte haben zur Verfügung stellen lassen, im Insolvenzverfahren nur nachrangig befriedigt, also praktisch wie Eigenkapital behandelt. Früher konnten Gesellschafterkredite nach § 32a GmbHG a.F. zwar auch kapitalersetzend sein oder werden; in der Krise der Gesellschaft hatten die Gesellschafter – auch „als ordentliche Kaufleute“ (§ 32a GmbHG a.F.) – aber die Entscheidung, ob sie die Reißleine ziehen oder der Gesellschaft neues Eigenkapital zuführen. Nur wenn sie weder Insolvenzantrag stellen ließen, noch neues Eigenkapital zuführten, mußten sie die Konsequenz tragen, daß ihre Darlehensforderungen an die GmbH wie Eigenkapital behandelt wurden. Das ist jetzt anders.

Haben die Gesellschafter sich für einen Kredit an die GmbH verbürgt, muß die Bank sie im Falle der Insolvenz der GmbH vorrangig, d.h. vor der Gesellschaft, in Anspruch nehmen (§ 44a InsO); nur in Höhe des Ausfalls beim Bürgen kann sie die Darlehensforderung gegen die GmbH zur Insolvenztabelle anmelden. Die Regreßforderung der Gesellschafter nach Leistung auf die Bürgschaft hingegen wird im Insolvenzverfahren der GmbH nur nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

Die Diskussion über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH hat also verschleiert und verschleiert weiterhin, daß sich der Haftungsumfang der Gesellschafter bzw. das Verlustrisiko teilweise drastisch erhöht hat.

Weniger scharf hingegen ist die Haftung neuerdings bei den Nutzungsüberlassungen, wie sie z.B bei Betriebsaufspaltungen vorkommen. Im Falle sog. kapitalersetzender Nutzungsüberlassung hatten Gesellschafter früher bei Insolvenz der GmbH dieser das an sie vermietete oder verpachtete Betriebsgrundstück u.U. über Jahre hinweg – unentgeltlich – zur Verfügung zu stellen. Jetzt kann der Insolvenzverwalter die weitere Nutzungsüberlassung betriebsnotwendiger Gegenstände nur für ein Jahr ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nur gegen finanziellen Ausgleich verlangen (§ 135 Abs. 3 InsO).

© 2011 Thore Jensen

Samstag, 25. Juni 2011

Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise

Für GmbH-Geschäftsführer bestanden in der Krise der Gesellschaft schon immer erhebliche straf- und zivilrechtliche Haftungsrisiken. Wird die Insolvenzantragspflicht verletzt, droht nicht nur eine Geld- oder Freiheitsstrafe wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO). Nach § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft auch persönlich zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die die Gesellschaft nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch geleistet hat. Besonders tückisch ist, daß es von der Rechtsprechung als eine die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG auslösende Zahlung der GmbH an ihre Bank angesehen wird, wenn Kunden der Gesellschaft Geldbeträge auf ein im Soll befindliches Konto der GmbH überweisen! Denn auf diese Weise werden Forderungen der Bank gegen die GmbH getilgt.

Wer als Geschäftsführer für die GmbH Verbindlichkeiten eingeht, obwohl er weiß, daß die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, macht sich persönlich des Betrugs (§ 263 StGB) schuldig. Wegen Bankrotts (§ 283 StGB), Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB) sowie Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung (§§ 283c und 283d StGB) kann sich ein GmbH-Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft auch leicht strafbar machen.

Das Gesetz zur Modernisierung und Bekämpfung von Missbräuchen im GmbH-Recht (MoMiG) hat das Leben für GmbH-Geschäftsführer nicht leichter gemacht, insbesondere nicht für Fremdgeschäftsführer, also solche, die nicht zugleich auch Gesellschafter sind. Ein Beispiel: Seit Inkrafttreten dieses Gesetzes sind alle Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren nur nachrangig zu befriedigen. Sie sind dann also in aller Regel wertlos. (Das galt früher – jedenfalls kraft Gesetzes – nur für kapitalersetzende Darlehen, also solche, die in der Krise der Gesellschaft gewährt oder stehengelassen wurden (§ 32a GmbHG a.F.)). Die Nachrangigkeit gilt aber nur für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Vorher ist es im Grundsatz also nicht verboten, wenn die Gesellschaft Gesellschafterdarlehen vor ihren anderen Verbindlichkeiten zurückzahlt. Verboten ist es nach § 64 S. 3 GmbHG nur dann, wenn die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen muß. Die Gesellschafter können vom Geschäftsführer deshalb sogar verlangen, daß er für die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen sorgt, mag das auch die Liquidität der Gesellschaft erheblich belasten. Das allein ist für den Geschäftsführer selbstverständlich kein besonderes Problem; auch sonst ist er den Weisungen der Gesellschafter unterworfen. Ein besonderes Problem ergibt sich für ihn nur daraus, daß das Gesetz den Gesellschaftern einen Anreiz gibt, ihn anschließend auch noch zur strafbaren Insolvenzverschleppung zu drängen: Wird innerhalb eines Jahres nach Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen ein Insolvenzantrag gestellt und daraufhin ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, kann der Insolvenzverwalter die Darlehensrückzahlungen an die Gesellschafter nach § 135 InsO anfechten. Vergeht bis zur Insolvenzantragstellung hingegen mehr als ein Jahr, ist die Anfechtungsfrist abgelaufen, so daß die Gesellschafter das Geld behalten können.

© 2011 Thore Jensen

Montag, 20. Juni 2011

Anfechtungsrisiken beim Forderungseinzug

Gläubiger stehen in der finanziellen Krise ihres Schuldners oftmals vor dem Problem, daß dieser dringend auf Warenlieferungen oder Dienstleistungen angewiesen ist, aber in erheblichem Umfang offene Forderungen noch nicht beglichen hat. Beliefern die Gläubiger ihren Schuldner nicht weiter, ist dessen Insolvenz unausweichlich, während sonst – zumindest möglicherweise – gute Chancen auf eine schnelle Überwindung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Das geltende Insolvenzrecht will Sanierungen im Insolvenzverfahren zwar begünstigen; eine erfolgreiche und schnelle außergerichtliche Sanierung ist dennoch im Regelfall erheblich billiger und unkomplizierter. Beteiligen sich Gläubiger an Sanierungsmaßnahmen, dann nicht uneigennützig, sondern in der Hoffnung, Forderungsausfälle nach Möglichkeit ganz abwenden und sich für die Zukunft einen treuen Kunden erhalten zu können. Ob dem Schuldner die Sanierung gelingt, ist aber ungewiß. Schwer einzuschätzen ist oftmals auch, wie sich andere Gläubiger verhalten, ob sie z.B. ihren Willen zur Mitwirkung an Sanierungsmaßnahmen nur vortäuschen, um für den Insolvenzfall ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.

In dieser Situation sind für die Gläubiger viele nur schwer erkennbare Fallstricke gespannt: Liefern die Gläubiger beispielsweise neue Ware nur gegen Begleichung oder Besicherung (eines Teils) der Altforderungen, laufen sie Gefahr, daß, wenn die Sanierung des Schuldners mißlingt, der Insolvenzverwalter des Schuldners diese Leistungen später mit Erfolg anficht. Die Gläubiger müssen dann nicht nur das erhaltene Geld oder die erhaltenen Sicherheiten an die Insolvenzmasse zurückgewähren, sondern erhalten auch auf die Forderungen aus den Neulieferungen nur die Insolvenzquote. – Sie haben schlechtem Geld gutes hinterhergeworfen. – Hätte der Schuldner hingegen statt auf die Altforderungen Zug um Zug gegen Warenlieferung die neuen Forderungen beglichen, wären diese Leistungen (mit hoher Wahrscheinlichkeit) als unanfechtbare Bargeschäfte (§ 142 InsO) zu qualifizieren.

Risiken bestehen für die Gläubiger auch sonst bei der Beitreibung von Altforderungen. Der Bundesgerichtshof benachteiligt Gläubiger, die bei der Zwangsvollstreckung kompromißbereit sind und sich zum Beispiel auf Ratenzahlungsvereinbarungen einlassen, geradezu exorbitant gegenüber solchen Gläubigern, die die Zwangsvollstreckung rigoros betreiben und jede Form von Mitwirkung des Schuldners schon präventiv unterbinden. Hat der bekannt zahlungsunfähige Schuldner nämlich den Erfolg der Zwangsvollstreckungsmaßnahme des Gläubigers durch irgendeine Art von Kooperation begünstigt oder gefördert, qualifiziert der Bundesgerichtshof diese Mitwirkungshandlung des Schuldners als vorsätzliche Benachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO. Der vollstreckende Gläubiger muß dann bis zu 10 Jahre lang mit der Anfechtung rechnen, während diese anderenfalls nur für 3 Monate drohen würde. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2009 (Az.: IX ZR 128/08 – Ratenzahlungsvereinbarung) und vom 3.2.2011 (Az.: IX ZR 213/09 – Auffüllen des Kassenbestands vor Erscheinen des Vollziehungsbeamten).

Ergänzung vom 7.11.11:

Zur Entscheidung des BGH vom 3.2.2011 sowie zur Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung im allgemeinen siehe jetzt auch meinen Aufsatz in Heft 20/2011 der Neuen Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (NZI), Seite 798.

© 2011 Thore Jensen