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Rechtsanwalt

Montag, 3. März 2014

Das Pfandrecht des Spediteurs kann sehr wertvoll sein

Neben bzw. unabhängig von dem vertraglichen Pfandrecht nach Nr. 20 ADSp erwerben Spediteure  gemäß § 440 HGB zur Sicherung ihrer Forderungen ein gesetzliches Pfandrecht an dem versendeten Gut. Dieses Pfandrecht kann sogar dann entstehen, wenn der Versender selbst nicht Eigentümer dieses Gutes ist. Notwendig ist dann nur, daß der Dritteigentümer mit der Versendung einverstanden ist. Das ist im Handelsverkehr typischerweise der Fall.

Entsprechende Regelungen bestehen auch zugunsten von Kommissionären, Frachtführern, Lagerhaltern und Verfrachtern beim Seefrachtvertrag.

Was den Umfang der gesicherten Forderungen angeht, besteht jedoch ein erheblicher Unterschied zwischen dem Fall, daß dem Versender die Waren selbst gehören, und dem, daß der Eigentümer lediglich mit der Versendung einverstanden ist: Im zweiten Fall sichert das Pfandrecht nur die Forderungen aus dem jeweiligen Speditionsvertrag, im ersten Fall auch offene Forderungen, die dem Spediteur gegen den Versender aus früheren Aufträgen zustehen (sog. inkonnexe Forderungen).

In einem vom Bundesgerichtshof im Jahre 2005 entschiedenen Fall hatte ein Frachtführer gegen einen Kunden aus zahlreichen Transportaufträgen offene Forderungen in einer Gesamthöhe von über 130.000,- DM. Er erhielt von dem Kunden dann einen neuen Auftrag zum Transport eines Schiffsruders im Wert von mehr als 200.000,- DM. Der Frachtlohn für diesen Transport betrug etwa 5.000,- DM.

Nachdem der Frachtführer das Schiffsruder bei seinem Kunden abgeholt hatte, erklärte er diesem, er werde das Ruder erst dann weiterbefördern, wenn eine Regelung zur Begleichung seiner offenen Altforderungen getroffen sei. Es wurde daraufhin vereinbart, daß die Schiffswerft, zu der das Schiffsruder transportiert werden sollte, von dem Werklohn, den sie dafür zu zahlen hatte, einen Teil von ca. 135.000,- DM direkt an den Frachtführer zahlt. Diese Zahlung ist dann auch entsprechend geleistet worden.

Kurz darauf wurde gegen den Kunden des Frachtführers ein Insolvenzantrag gestellt. Nach Verfahrenseröffnung verlangte der Insolvenzverwalter vom Frachtführer die Rückzahlung der 135.000,- DM, die dieser vereinbarungsgemäß direkt von der Schiffswerft erhalten hatte. Die Zahlung sei als eine sog. inkongruente Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Er könne deshalb im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr des Betrages verlangen.

Die Klage des Insolvenzverwalters hatte beim Bundesgerichtshof jedoch keinen Erfolg. Der Frachtführer durfte das Geld behalten, obwohl er mit dem Pfandrecht erst nachträglich und zudem erst kurz vor Insolvenzantragstellung eine Sicherheit für seine offenen Altforderungen erhalten hatte: Das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers begründe keine inkongruente Deckung. Gleiches gelte auch für die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung, nach der das Pfandrecht durch Direktzahlung der Schiffswerft abgelöst wurde.

Wäre der Kunde des Frachtführers nicht selbst Eigentümer des Schiffsruders gewesen, dann hätte das Pfandrecht nur die Forderungen des Frachtführers aus dem konkreten Transportauftrag gesichert. Das wären lediglich 5.000,- DM gewesen.

Wenn ein Händler Ware versendet, die er selbst unter Eigentumsvorbehalt gekauft aber noch nicht bezahlt hat, dann sichert das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers nur dessen Forderungen aus dem konkreten Transportauftrag, nicht auch seine Altforderungen. Das gesetzliche Pfandrecht ist dann also beträchtlich weniger wert.

Vertraglich könnte jedoch grundsätzlich mit dem Vorbehaltseigentümer ein Pfandrecht zugunsten des Frachtführers vereinbart werden, das auch dessen Altforderungen aus früheren Transportaufträgen sichert. Zu einer solchen Pfandrechtsvereinbarung mag ein Vorbehaltseigentümer u.U. durchaus zu bewegen sein, wenn der Eigentumsvorbehalt als Sicherheit für seine Kaufpreisforderung dadurch nicht entwertet wird und er für die Bestellung des Pfandrechts eine Vergütung erhält.

Eine interessante Frage ist, ob eine solche Vereinbarung nach den §§ 129 ff. InsO angefochten werden könnte, wenn über das Vermögen des Absenders ein Insolvenzverfahren eröffnet würde.

Angenommen, der Absender hat die vom Frachtführer zu transportierende Ware bei seinem Lieferanten unter Eigentumsvorbehalt zu einem Kaufpreis von 100.000,- € gekauft. Seinerseits hat er sie an den Abnehmer zu einem Preis von 150.000,- € weiterverkauft. Für den Transport der Ware zu dem Abnehmer steht dem Frachtführer ein Frachtlohn von 5.000,- € zu. Der Frachtführer hat daneben gegen den Absender aber noch offene Altforderungen von 45.000,- €. Weil die Ware wegen des Eigentumsvorbehalts des Lieferanten dem Absender (noch) nicht gehört, sichert das gesetzliche Pfandrecht nach § 440 Abs. 1 HGB nur den Frachtlohnanspruch für den Transport dieser Ware. Könnte der Frachtführer mit dem Vorbehaltseigentümer ein vertragliches Pfandrecht vereinbaren, das auch die Altforderungen sichert und sodann die weitere Beförderung der Ware davon abhängig machen, daß auch seine Altforderungen aus dem vom Abnehmer zu zahlenden Kaufpreis beglichen werden? Würde eine solche Vereinbarung zwischen dem Frachtführer und dem Vorbehaltseigentümer bewirken, daß die beiden den vom Abnehmer geschuldeten Kaufpreis von 150.000,- € auch dann allein unter sich aufteilen könnten, wenn vor Ablieferung der Ware an den Abnehmer ein (begründeter) Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Absenders gestellt wird? Oder könnte der Insolvenzverwalter die Vereinbarung nach §§ 129 ff. InsO anfechten und jedenfalls 45.000,- € für die Insolvenzmasse beanspruchen?

Ich hielte das auch angesichts der erwähnten BGH-Entscheidung für zumindest sehr zweifelhaft.

Durch richtiges Vorgehen kann man als Frachtführer also u.U. viel Geld retten.

© 2014 Thore Jensen