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Rechtsanwalt

Montag, 10. Dezember 2012

Anfechtbarkeit einer Vergleichszahlung zur Schuldenbereinigung

Meine Mandantin hatte seit längerer Zeit erhebliche offene Forderungen gegen eine GmbH, als deren Geschäftsführer ihr schrieb, die GmbH habe eine größere Beitragsrückerstattung durch die BfA zu erwarten. Auch mit diesen Mitteln könne sie ihre Schulden nur teilweise begleichen. Ein kostenintensives Insolvenzverfahren könne jedoch vermieden werden, wenn sich alle Gläubiger mit einem Teilbetrag ihrer offenen Forderungen zufrieden gäben. Meine Mandanntin ließ sich auf diesen Vorschlag ein und begnügte sich mit einem Betrag von rund 40 % ihrer Forderungen. Die Vergleichszahlung wurde vereinbarungsgemäß geleistet.

Mehr als anderthalb Jahre nach der Vergleichszahlung wurde dennoch ein Insolvenzantrag gestellt, weil der Geschäftsführer der GmbH in dem Schuldenbereinigungsplan eine Gläubigerin (absichtlich oder unabsichtlich) nicht berücksichtigt hatte.

In dem daraufhin eröffneten Insolvenzverfahren verlangte der Insolvenzverwalter von meiner Mandantin die Rückzahlung des geleisteten Betrages. Bei der Vergleichszahlung habe es sich um eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO gehandelt: Der Geschäftsführer der GmbH habe gewußt, daß diese zahlungsunfähig ist. Das sei ausreichend, um davon auszugehen, daß er mit dem Vorsatz gehandelt habe, die Gläubiger der GmbH zu benachteiligen. Die Zahlungsunfähigkeit sei meiner Mandantin bekannt gewesen. Deshalb sei nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO jedenfalls zu vermuten, daß sie die notwendige Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt habe.

Nachdem das Landgericht dieser Auffassung gefolgt war, hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 1 U 56/12) die Klage des Insolvenzverwalters mit Urteil vom 22.11.2012 in zweiter Instanz abgewiesen.

© 2012 Thore Jensen

Donnerstag, 1. November 2012

Helfen Sie nicht dabei, Gläubiger zu begünstigen!

Eine zahlungsunfähige GmbH hatte einer Sozietät von Steuerberatern u.a. 33.000,- € überwiesen, die diese als uneigennützige Treuhänderin dazu verwenden sollte, Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Sozialversicherungsträgern und Arbeitnehmern zu bezahlen.

Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH war bereits einige Tage vor der Überweisung an die Steuerberatungsgesellschaft gestellt worden. Das war dieser bekannt, als sie die Vereinbarung mit der GmbH traf.

Nach Insolvenzeröffnung verlangte der Insolvenzverwalter von der Steuerberatungsgesellschaft im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr dieser 33.000,- €, die diese zwischenzeitlich vereinbarungsgemäß an die Sozialkassen und Arbeitnehmer weitergeleitet hatte.

In seinem Urteil vom 26.04.2012, Az. IX ZR 74/11, hielt der BGH die Voraussetzungen für die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO gegenüber der Steuerberatungsgesellschaft für begründet, obwohl diese selbst gar nicht begünstigt worden war, sondern sich lediglich als sog. Leistungsmittlerin betätigt hatte. Die Steuerberater konnten den Insolvenzverwalter nicht darauf verweisen, sich an die Sozialkassen und an die Arbeitnehmer zu halten, denen die Beträge zugeflossen waren. Auf Entreicherung berufen konnte sie sich auch nicht.

© 2012 Thore Jensen


Anmerkung: 
Gegen die Entscheidung wie überhaupt gegen die Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO durch den BGH lassen sich allerdings sehr grundsätzliche Einwände erheben. 

Freitag, 20. April 2012

Für GmbH-Geschäftsführer ist das Risiko der Strafbarkeit wegen Bankrotts (§ 283 StGB) erheblich gestiegen

Seit den Beschlüssen des 3. und des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. September 2011 (3 StR 118/11) bzw. vom 29. November 2011 (1 ARs 19/11) besteht für GmbH-Gesellschafter in der Unternehmenskrise eine erheblich größere Gefahr, sich wegen Bankrotts gemäß § 283 StGB strafbar zu machen.

Der Straftatbestand des Bankrotts (§ 283 StGB) darf nicht verwechselt werden mit dem der Insolvenzverschleppung (jetzt: § 15a InsO). – § 283 StGB stellt verschiedene Handlungen unter Strafe, die bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit vorgenommen werden und die dem Ziel dienen, die Befriedigungsinteressen der Gläubiger zu beeinträchtigen. Dazu gehört z.B. das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen. Nach § 283 StGB strafbar macht sich aber u.a. auch, wer es unterläßt, gesetzlich vorgeschriebene Handelsbücher zu führen, so daß die Übersicht über den Vermögensstand erschwert wird.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH konnte sich ein Geschäftsführer einer GmbH nur dann wegen Bankrotts strafbar machen, wenn er bei Vornahme einer der in § 283 Abs. 1 StGB beschriebenen Handlungen auch im Interesse der GmbH handelte (sog. "Interessentheorie"). Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, wenn der Geschäftsführer in der Unternehmenskrise Vermögensgegenstände der GmbH für sich persönlich abzweigte. Denn ein solches Verhalten entspricht nicht dem Interesse der GmbH, sondern widerspricht ihm. Als Bankrott i.S.d. § 283 StGB strafbar war es daher regelmäßig nicht einmal, wenn der Gesellschafter und Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH deren Vermögensgegenstände unmittelbar vor Insolvenz beiseiteschaffte, um sich damit ein neues Unternehmen aufzubauen.

Diese Rechtsprechung hat der BGH jetzt aufgegeben, – auch weil sie Einzelkaufleute gegenüber GmbH-Geschäftsführern erheblich benachteiligte.

© 2012 Thore Jensen

Dienstag, 3. April 2012

Lohn- und Gehaltsabtretungen sollen künftig mit Insolvenzeröffnung ihre Wirkung verlieren

Nach dem von der Bundesregierung am 18. Januar 2012 vorgelegten "Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen" soll sich künftig nicht nur die Dauer der Wohlverhaltensperiode im Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahre halbieren, wenn mindestens eine Befriedigungsquote von 25 % erreicht wird.

Zu den bedeutenden (geplanten) Änderungen gehört auch, daß Lohn- und Gehaltsabtretungen künftig mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ihre Wirkung verlieren. Bisher ist in § 114 Abs. 1 InsO geregelt, daß die Abtretung oder Verpfändung von Bezügen aus einem Dienstverhältnis in einem Insolvenzverfahren wirksam ist, soweit sie sich auf Ansprüche bezieht, die bis zum Ablauf von zwei Jahren ab Insolvenzeröffnung fällig werden (etwas vereinfacht).

Es ist deshalb damit zu rechnen, daß Lohn- und Gehaltsabtretungen ihres Schuldners für Gläubiger künftig deutlich an Wert verlieren werden.

© 2012 Thore Jensen

Sonntag, 29. Januar 2012

Keine Abweisung mangels Masse, wenn beim Geschäftsführer noch was zu holen ist

Am 1. März 2012 tritt der größte Teil des “Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen” (ESUG) in Kraft. Eine der zahlreichen Änderungen der Insolvenzordnung schafft die Möglichkeit, insbesondere Geschäftsführer persönlich und unmittelbar auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der zu erwartenden Kosten des Insolvenzverfahrens in Anspruch zu nehmen, wenn sie es pflichtwidrig unterlassen haben, für ihre Gesellschaft bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.

Diese Pflicht zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses greift dann ein, wenn andernfalls ein gestellter Insolvenzantrag mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Insolvenzmasse abgewiesen werden müßte. Den Verfahrenskostenvorschuß kann nicht nur der vorläufige Insolvenzverwalter, sondern “jede Person verlangen, die einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat”. Künftig wird die Abweisung eines Insolvenzantrags über eine GmbH mangels Masse deshalb regelmäßig erst dann erfolgen, wenn auch der Geschäftsführer persönlich kein pfändbares Einkommen und Vermögen mehr hat.

Die Vorschußpflicht betrifft allerdings nicht ausschließlich Geschäftsführer: Nach dem neuen § 26 Abs. 4 InsO ist zur Leistung des Vorschusses “jede Person” verpflichtet, “die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.” – Das können neben dem eingetragenen Geschäftsführer auch z.B. der faktische Geschäftsführer sein oder die Gesellschafter, die für den Fall der Führungslosigkeit ihrer GmbH selbst verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Relevant ist das nicht nur in den Fällen, in denen einkommens- und vermögenslose “Strohmänner” als Geschäftsführer vorgeschoben werden.

Schon jetzt können Gläubiger eine Insolvenzeröffnung erzwingen, d.h. verhindern, daß ihr Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird, indem sie selbst die Kosten des Insolvenzverfahrens vorschießen. Diesen Vorschuß können sie vom Geschäftsführer erstattet verlangen, wenn dieser seine Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Trotzdem steht diese Erstattungspflicht vielfach nur auf dem Papier, weil die Gläubiger den Vorschuß nicht zu leisten bereit sind. Die neue Regelung des § 26 Abs. 4 InsO wird die tatsächlichen Haftungsgefahren (insbesondere) der Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung deshalb deutlich erhöhen.

Für Gläubiger kann ein Insolvenzantrag bei der Durchsetzung ihrer Forderungen erfolgversprechender sein als die Einzelzwangsvollstreckung. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie es mit dubiosen Schuldnerunternehmen zu tun haben: Insolvenzverwalter haben deutlich bessere Möglichkeiten, gläubigerbenachteiligende Vermögensverschiebungen und Insolvenzstraftaten aufzudecken, als einzelne Gläubiger, die keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen und Kontoauszüge ihres Schuldners haben.

© 2012 Thore Jensen