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Rechtsanwalt

Freitag, 24. Mai 2013

Es formiert sich Widerstand gegen die BGH-Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung

Grund dazu besteht jedenfalls: Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung 1999 hat der BGH den Anwendungsbereich der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gem. § 133 Abs. 1 InsO immer weiter ausgedehnt. Von ihr betroffen sind auch vollkommen redliche Vertragspartner des späteren Insolvenzschuldners, die von diesem nichts weiter erhalten haben als das, worauf sie einen vertraglichen Anspruch hatten (sog. kongruente Deckungen). Die Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 1 InsO werden vom BGH so ausgelegt, daß für die Anfechtbarkeit einer vom Schuldner geleisteten Zahlung praktisch nur erforderlich ist, daß der Empfänger des Geldes wußte, daß seinem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht.

Wer Geld von seinem Vertragspartner erhält und dabei weiß, daß es diesem finanziell schlecht geht, muß nach der BGH-Rechtsprechung damit rechnen, daß er es an den Insolvenzverwalter zurückzahlen muß, falls innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren (!) ein begründeter Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögens seines Schuldners gestellt wird.

Für die Geltendmachung dieses Anfechtungsanspruchs gilt eine Verjährungsfrist von mindestens drei Jahren, beginnend mit dem Schluß des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die Verjährungsfrist kann nach § 146 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1 und 4 BGB aber bis zu zehn Jahre betragen.

Theoretisch können zwischen dem Erhalt des Rechnungsbetrags und der Erhebung der Insolvenzanfechtungsklage gut 20 Jahre liegen! – Unternehmen ist zu empfehlen, Rückstellungen zu bilden.

In einem in Heft 20/2013 der ZInsO veröffentlichten Aufsatz hat Ulrich Foerste, ordentlicher Professor an der Universität Osnabrück, diese Ausdehnung der Vorsatzanfechtung und die damit verbundene Abschaffung des Vertrauensschutzes zugunsten der Zahlungsempfänger als ein “rechtsstaatliches Problem” bezeichnet: Die Rechtsprechung des BGH zur Vorsatzanfechtung sei keine Gesetzesauslegung, sondern Normsetzung, und zwar gegen den Gesetzgeber, der für gewöhnliche Schuldtilgungen in § 130 InsO eine Anfechtungsfrist von maximal drei Monaten bestimmt habe.

Von mir wird voraussichtlich in Heft 11/2013 der NZI (Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung) ein Aufsatz erscheinen, in dem ich darlege, auf welche Fälle der Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO m.E. richtigerweise beschränkt ist.*

© 2013 Thore Jensen

* “Stufenverhältnis” zwischen §§ 130, 131 InsO und §·133 InsO?, NZI 2013 (Heft 11 vom 6. Juni 2013), Seite 471.