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Rechtsanwalt

Donnerstag, 30. Juni 2011

Gesellschafterforderungen bei Insolvenz der GmbH

Auch außerhalb der juristischen Fachwelt wurde in den vergangen Jahren erheblich über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH diskutiert. Gesetz geworden ist eine vermittelnde Lösung: Es gibt jetzt als kleine Schwester der GmbH die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die mit einem statutarischen Stammkapital von 1,- € auskommt. Etwas in den Hintergrund getreten ist bei der Diskussion, daß es im Regelfall schon illusorisch ist anzunehmen, daß ein Stammkapital von 25.000,- € der GmbH die für ihren Geschäftsbetrieb notwendige Kreditwürdigkeit verschafft. Insbesondere Banken gewähren der GmbH Kredite normalerweise nur, wenn neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter haften, z.B. aufgrund von Bürgschaften. Die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro deutet deshalb bereits auf den mit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG vollzogenen Paradigmenwechsel hin, den die Gesellschafter bei der Unternehmensfinanzierung unbedingt berücksichtigen müssen:

Während Gesellschafterdarlehen früher im Insolvenzverfahren grundsätzlich normale Insolvenzforderungen waren, werden jetzt (nahezu) alle Darlehen, die die Gesellschafter der Gesellschaft entweder selbst zur Verfügung gestellt haben oder aber – gegen Übernahme bspw. einer Bürgschaft – durch Dritte haben zur Verfügung stellen lassen, im Insolvenzverfahren nur nachrangig befriedigt, also praktisch wie Eigenkapital behandelt. Früher konnten Gesellschafterkredite nach § 32a GmbHG a.F. zwar auch kapitalersetzend sein oder werden; in der Krise der Gesellschaft hatten die Gesellschafter – auch „als ordentliche Kaufleute“ (§ 32a GmbHG a.F.) – aber die Entscheidung, ob sie die Reißleine ziehen oder der Gesellschaft neues Eigenkapital zuführen. Nur wenn sie weder Insolvenzantrag stellen ließen, noch neues Eigenkapital zuführten, mußten sie die Konsequenz tragen, daß ihre Darlehensforderungen an die GmbH wie Eigenkapital behandelt wurden. Das ist jetzt anders.

Haben die Gesellschafter sich für einen Kredit an die GmbH verbürgt, muß die Bank sie im Falle der Insolvenz der GmbH vorrangig, d.h. vor der Gesellschaft, in Anspruch nehmen (§ 44a InsO); nur in Höhe des Ausfalls beim Bürgen kann sie die Darlehensforderung gegen die GmbH zur Insolvenztabelle anmelden. Die Regreßforderung der Gesellschafter nach Leistung auf die Bürgschaft hingegen wird im Insolvenzverfahren der GmbH nur nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

Die Diskussion über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH hat also verschleiert und verschleiert weiterhin, daß sich der Haftungsumfang der Gesellschafter bzw. das Verlustrisiko teilweise drastisch erhöht hat.

Weniger scharf hingegen ist die Haftung neuerdings bei den Nutzungsüberlassungen, wie sie z.B bei Betriebsaufspaltungen vorkommen. Im Falle sog. kapitalersetzender Nutzungsüberlassung hatten Gesellschafter früher bei Insolvenz der GmbH dieser das an sie vermietete oder verpachtete Betriebsgrundstück u.U. über Jahre hinweg – unentgeltlich – zur Verfügung zu stellen. Jetzt kann der Insolvenzverwalter die weitere Nutzungsüberlassung betriebsnotwendiger Gegenstände nur für ein Jahr ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nur gegen finanziellen Ausgleich verlangen (§ 135 Abs. 3 InsO).

© 2011 Thore Jensen

Samstag, 25. Juni 2011

Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise

Für GmbH-Geschäftsführer bestanden in der Krise der Gesellschaft schon immer erhebliche straf- und zivilrechtliche Haftungsrisiken. Wird die Insolvenzantragspflicht verletzt, droht nicht nur eine Geld- oder Freiheitsstrafe wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO). Nach § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft auch persönlich zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die die Gesellschaft nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch geleistet hat. Besonders tückisch ist, daß es von der Rechtsprechung als eine die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG auslösende Zahlung der GmbH an ihre Bank angesehen wird, wenn Kunden der Gesellschaft Geldbeträge auf ein im Soll befindliches Konto der GmbH überweisen! Denn auf diese Weise werden Forderungen der Bank gegen die GmbH getilgt.

Wer als Geschäftsführer für die GmbH Verbindlichkeiten eingeht, obwohl er weiß, daß die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, macht sich persönlich des Betrugs (§ 263 StGB) schuldig. Wegen Bankrotts (§ 283 StGB), Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB) sowie Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung (§§ 283c und 283d StGB) kann sich ein GmbH-Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft auch leicht strafbar machen.

Das Gesetz zur Modernisierung und Bekämpfung von Missbräuchen im GmbH-Recht (MoMiG) hat das Leben für GmbH-Geschäftsführer nicht leichter gemacht, insbesondere nicht für Fremdgeschäftsführer, also solche, die nicht zugleich auch Gesellschafter sind. Ein Beispiel: Seit Inkrafttreten dieses Gesetzes sind alle Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren nur nachrangig zu befriedigen. Sie sind dann also in aller Regel wertlos. (Das galt früher – jedenfalls kraft Gesetzes – nur für kapitalersetzende Darlehen, also solche, die in der Krise der Gesellschaft gewährt oder stehengelassen wurden (§ 32a GmbHG a.F.)). Die Nachrangigkeit gilt aber nur für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Vorher ist es im Grundsatz also nicht verboten, wenn die Gesellschaft Gesellschafterdarlehen vor ihren anderen Verbindlichkeiten zurückzahlt. Verboten ist es nach § 64 S. 3 GmbHG nur dann, wenn die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen muß. Die Gesellschafter können vom Geschäftsführer deshalb sogar verlangen, daß er für die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen sorgt, mag das auch die Liquidität der Gesellschaft erheblich belasten. Das allein ist für den Geschäftsführer selbstverständlich kein besonderes Problem; auch sonst ist er den Weisungen der Gesellschafter unterworfen. Ein besonderes Problem ergibt sich für ihn nur daraus, daß das Gesetz den Gesellschaftern einen Anreiz gibt, ihn anschließend auch noch zur strafbaren Insolvenzverschleppung zu drängen: Wird innerhalb eines Jahres nach Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen ein Insolvenzantrag gestellt und daraufhin ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, kann der Insolvenzverwalter die Darlehensrückzahlungen an die Gesellschafter nach § 135 InsO anfechten. Vergeht bis zur Insolvenzantragstellung hingegen mehr als ein Jahr, ist die Anfechtungsfrist abgelaufen, so daß die Gesellschafter das Geld behalten können.

© 2011 Thore Jensen

Montag, 20. Juni 2011

Anfechtungsrisiken beim Forderungseinzug

Gläubiger stehen in der finanziellen Krise ihres Schuldners oftmals vor dem Problem, daß dieser dringend auf Warenlieferungen oder Dienstleistungen angewiesen ist, aber in erheblichem Umfang offene Forderungen noch nicht beglichen hat. Beliefern die Gläubiger ihren Schuldner nicht weiter, ist dessen Insolvenz unausweichlich, während sonst – zumindest möglicherweise – gute Chancen auf eine schnelle Überwindung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Das geltende Insolvenzrecht will Sanierungen im Insolvenzverfahren zwar begünstigen; eine erfolgreiche und schnelle außergerichtliche Sanierung ist dennoch im Regelfall erheblich billiger und unkomplizierter. Beteiligen sich Gläubiger an Sanierungsmaßnahmen, dann nicht uneigennützig, sondern in der Hoffnung, Forderungsausfälle nach Möglichkeit ganz abwenden und sich für die Zukunft einen treuen Kunden erhalten zu können. Ob dem Schuldner die Sanierung gelingt, ist aber ungewiß. Schwer einzuschätzen ist oftmals auch, wie sich andere Gläubiger verhalten, ob sie z.B. ihren Willen zur Mitwirkung an Sanierungsmaßnahmen nur vortäuschen, um für den Insolvenzfall ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.

In dieser Situation sind für die Gläubiger viele nur schwer erkennbare Fallstricke gespannt: Liefern die Gläubiger beispielsweise neue Ware nur gegen Begleichung oder Besicherung (eines Teils) der Altforderungen, laufen sie Gefahr, daß, wenn die Sanierung des Schuldners mißlingt, der Insolvenzverwalter des Schuldners diese Leistungen später mit Erfolg anficht. Die Gläubiger müssen dann nicht nur das erhaltene Geld oder die erhaltenen Sicherheiten an die Insolvenzmasse zurückgewähren, sondern erhalten auch auf die Forderungen aus den Neulieferungen nur die Insolvenzquote. – Sie haben schlechtem Geld gutes hinterhergeworfen. – Hätte der Schuldner hingegen statt auf die Altforderungen Zug um Zug gegen Warenlieferung die neuen Forderungen beglichen, wären diese Leistungen (mit hoher Wahrscheinlichkeit) als unanfechtbare Bargeschäfte (§ 142 InsO) zu qualifizieren.

Risiken bestehen für die Gläubiger auch sonst bei der Beitreibung von Altforderungen. Der Bundesgerichtshof benachteiligt Gläubiger, die bei der Zwangsvollstreckung kompromißbereit sind und sich zum Beispiel auf Ratenzahlungsvereinbarungen einlassen, geradezu exorbitant gegenüber solchen Gläubigern, die die Zwangsvollstreckung rigoros betreiben und jede Form von Mitwirkung des Schuldners schon präventiv unterbinden. Hat der bekannt zahlungsunfähige Schuldner nämlich den Erfolg der Zwangsvollstreckungsmaßnahme des Gläubigers durch irgendeine Art von Kooperation begünstigt oder gefördert, qualifiziert der Bundesgerichtshof diese Mitwirkungshandlung des Schuldners als vorsätzliche Benachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO. Der vollstreckende Gläubiger muß dann bis zu 10 Jahre lang mit der Anfechtung rechnen, während diese anderenfalls nur für 3 Monate drohen würde. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2009 (Az.: IX ZR 128/08 – Ratenzahlungsvereinbarung) und vom 3.2.2011 (Az.: IX ZR 213/09 – Auffüllen des Kassenbestands vor Erscheinen des Vollziehungsbeamten).

Ergänzung vom 7.11.11:

Zur Entscheidung des BGH vom 3.2.2011 sowie zur Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung im allgemeinen siehe jetzt auch meinen Aufsatz in Heft 20/2011 der Neuen Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (NZI), Seite 798.

© 2011 Thore Jensen