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Rechtsanwalt

Mittwoch, 23. April 2014

Schulden geerbt?

Mit dem Erbfall gehen auch die Schulden auf den oder die Erben über. Die Erben werden Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen. Manchmal sind die Schulden höher als das Vermögen. Das wiederum stellt sich oft erst heraus, wenn die sechswöchige Frist, innerhalb der das Erbe hätte ausgeschlagen werden können, längst abgelaufen ist.

Das aber bedeutet keineswegs, daß die Erben jetzt unweigerlich mit ihren gesamten (Eigen-)Vermögen sowie mit ihren Einkommen für die geerbten Schulden einzustehen haben. Die Erben können dafür sorgen, daß sie für diese Schulden nur mit dem Nachlaß haften müssen. Zwar können die Erben die Möglichkeit verlieren, eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen. Grundsätzlich ist es aber auch noch Jahre nach dem Erbfall möglich, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß zu erreichen.

Erben, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig waren, haben darüber hinaus die Möglichkeit,  dafür zu sorgen, daß sie für geerbte Schulden nur mit demjenigen Vermögen haften, das sie bei Eintritt der Volljährigkeit hatten.

© 2014 Thore Jensen

Sonntag, 13. April 2014

Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen

Die außerordentlich anfechtungsfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO wird nicht nur von zahlreichen Rechtsanwälten und Hochschullehrern sowie mehreren Unternehmensverbänden scharf kritisiert, sondern hat inzwischen auch die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Auf dem 11. Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin hat Bundesjustizminister Maas das Insolvenzanfechtungsrecht jüngst als aktuell größte Baustelle im Insolvenzrecht bezeichnet. Gesetzesänderungen sollen die gegenwärtig völlig unkalkulierbaren und nicht selten existenzbedrohenden Anfechtungsrisiken eindämmen. – Schätzungen gehen davon aus, daß gegen zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland jedes Jahr mindestens einmal von einem Insolvenzverwalter ein Insolvenzanfechtungsanspruch geltend gemacht wird.

Von der Insolvenzanfechtung sind aber nicht nur Lieferanten und Geschäftspartner insolventer Unternehmen sowie Finanzämter und Sozialkassen betroffen, sondern nicht selten auch Arbeitnehmer, die Lohnzahlungen erhalten haben, als ihr Arbeitgeber schon zahlungsunfähig war.

In einem Fall, der vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 29.01.2014 – Az. 6 AZR 345/12 – entschieden wurde, verlangte der Insolvenzverwalter eines Unternehmens von einer teilzeitbeschäftigten Angestellten, dass sie Nettolohnzahlungen in Höhe von mehr als 10.000,- € zurückzahlt, die sie von ihrem Arbeitgeber in den letzten knapp 8 Monaten vor Insolvenzantragstellung erhalten hatte. Siehe hierzu auch die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2014.

Die auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Klage des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg, und dies auch m.E. sehr zu recht. Bemerkenswert ist, daß sich das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen sehr ausführlich mit der Kritik auseinandersetzt, die in der Literatur an der Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung geübt wird, und danach eine Position vertritt, die sich m.E. sehr deutlich von der Linie des Bundesgerichtshofs unterscheidet.

Ein Leitsatz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts lautet: “Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss das Indiz der Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon. Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt und dass dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO Rechnung getragen wird.”

Ich vertrete seit langem die Auffassung, dass eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 133 InsO niemals vorliegen kann, wenn ein ganz normaler Gläubiger von seinem Schuldner nur das erhalten hat, worauf er einen regulären vertraglichen Anspruch hatte. Es muß anfechtungsrechtlich einen Unterschied machen, ob jemand, der seinen wirtschaftlichen Zusammenbruch kommen sieht, Vermögensgegenstände beiseiteschafft, um sie der Haftung zu entziehen, oder ob er lediglich Rechnungen bezahlt, obwohl er augenscheinlich nicht mehr allen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.

© 2014 Thore Jensen